6. Die Grochewitzer Dampfmolkerei
Ende des 18. Jahrhunderts wurde in Grochewitz eine Dampfmolkerei betrieben.
Im unteren Stockwerk befand sich der Produktionsraum mit der Rampe für die Lieferfahrzeuge, darüber lagen die Wohnräume. In dem Anbau an der linken Seite des Gebäudes fauchte eine Dampfmaschine und trieb eine lange Transmissionswelle im Inneren des Gebäudes an. Über breite Lederriemen wurden damit die Zentrifugen und andere Rührwerke angetrieben. Der Dampf wurde auch zur Erhitzung der Kochkessel verwendet. Auch damals gab es schon Vorschriften. Die Dienst-Vorschrift für den Kesselwärter befindet sich im Anhang dieser Beschreibung.
Der damalige Besitzer, Herr Otto Witthuhn verkaufte die Molkerei 1912 an den Molkereiverwalter Robert Günther aus Elkershausen bei Friedland a. d. Leine.
In dem Kaufvertrag war auch festgelegt, dass der neue Besitzer auch die bestehenden Rechte und Pflichten aus den mit den Milchlieferanten und Butterabnehmern abgeschlossenen Verträge mit übernahm. Der Verkäufer verpflichtigte sich innerhalb von 10 Jahren im Umkreis von 10 km von Grochewitz keine Molkerei zu eröffnen oder sich an einer solchen zu beteiligen. Im Falle der Zuwiderhandlung hat der Verkäufer dem Käufer eine Konventionalstrafe von 10 000 M zu zahlen.
Der neue Besitzer, „der Molker“, hat mit überzeugender Qualität und Zuverlässigkeit bei der Lieferung seinen Kundenstamm erweitert und bis nach Dessau ausgebaut. Am 10.Oktober 1913 wurde ihm auf der großen Gewerbeausstellung in Wittenberg ein „Ehrendiplom zur Goldenen Medaille“ verliehen. Eine Kopie der Urkunde befindet sich im Anhang dieser Beschreibung.
Später entstanden neue, größere Genossenschaftsmolkereien. Der Verdienst der Molkerei war rückläufig und wurde mit landwirtschaftlichen Produkten erweitert.
Im Jahre 1926 erfolgte der Anbau eines neuen Wohngebäudes mit Stallungen und Scheune (siehe nachfolgende Fotos).
Kühe und Pferde wurden angeschafft und es begann der Ackerbau. Auch die Jagd wurde in dieser wildreichen Gegend betrieben. Öfters auch mit Gästen , worüber an anderer Stelle (Dorfgeschichten) noch berichtet wird.
Am Anfang der 30. Jahre wurde der Molkereibetrieb eingestellt. Mit Gründung der LPG (1954) endete auch der private landwirtschaftliche Betrieb.
Grochewitz, 2005,
Dagmar Richter, Enkelin vom Molker
Die ehemalige Molkerei und das Wohnhaus um 1950
Winterarbeit
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Ehemalige Molkerei und das Wohnhaus um 1990
Die ehemalige Molkerei und das Wohnhaus 2005
Ehrendiplom zur Goldenen Medaille
Wittenberg am 10. Oktober 1913
Auch "früher" gab es schon Vorschriften und
Anweisungen.
Eine Abschrift von einer über 100 Jahre alten
emaillierten Metallplatte aus dem Kesselhaus der
ehemaligen Dampfmolkerei.
Dienst = Vorschriften für
Kesselwärter
Vom 8. September 1903
Allgemeines
1. Die Kesselanlage ist stets rein, guterleuchtet und von
allen nicht dahin gehörenden Gegenständen frei zu
halten.
2. Der Kesselwärter darf Unbefugten den Aufenthalt in der
Kesselanlage nicht gestatten.
Inbetriebnahme des Kessels
4. Vor dem Füllen des Kessels ist festzustellen, ob er im
Inneren gereinigt ist und Fremdkörper aus ihm entfernt
sind. Alle zu ihm gehörenden Vorrichtungen müssen gangbar
und deren Zuführungen zum Kessel frei sein.
5. Das Anheizen soll langsam und erst erfolgen, nachdem
der Kessel mindestens bis zur Höhe des festgesetzten
niedrigsten Wasserstandes gefüllt ist.
6. Während des Anheizens ist das Dampfventil geschlossen
und der Dampfraum mit der äußeren Luft in offener
Verbindung zu erhalten. Auch das Nachziehen der Dichtungen
hat während dieser Zeit zu erfolgen.
7. Die Wasserstandsvorrichtungen sind vor und während des
Anheizens zu Prüfen, das Manometer ist stetig zu
beobachten.
Betrieb des Kessels
8.Hähne und Ventile sind langsam zu öffnen und zu schließen.
9. Der Wasserstand soll möglichst gleichmäßig gehalten
werden und darf nicht unter die Marke des festgesetzten
niedrigsten Standes sinken.
10. Die Wasserstandsvorrichtungen sind unter Benutzung
aller Hähne oder Ventile täglich recht oft zu prüfen.
Unregelmäßigkeiten, insbesondere Verstopfungen sind sofort
zu beseitigen.
11. Die Speisevorrichtungen sind täglich sämtlich zu
benutzen und stehts in brauchbarem Zustand zu
erhalten.
12. Das Manometer ist zeitweise vorsichtig auf seine
Gangbarkeit zu prüfen.
13. Der Dampfdruck soll die festgesetzte höchste Spannung
nicht überschreiten.
14. Die Sicherheitsventile sind täglich durch vorsichtiges Anheben zu lüften. Jede Änderung der Belastung der Sicherheitsventile ist untersagt.
15. Beim jedesmaligen Öffnen der Feuertüren ist der Zug zu vermindern.
16. Vor und während Stillstandspausen ist der Kessel aufzuspeisen und der Zug zu vermindern.
17. Bei Schichtwechsel darf der abtretende Kesselwärter sich erst dann entfernen, wenn der antretende Wärter alles in ordnungsmäßigem Zustande übernommen hat.
18. Sinkt das Wasser unter die Marke des niedriegsten Standes, so ist die Einwirkung des Feuers aufzuheben und dem Vorgesetzten unverzüglich Anzeige zu erstatten.
19. Steigt der Dampfdruck zu hoch, so ist der Kessel zu speisen und der Zug zu vermindern. Genügt dies nicht, so ist die Einwirkung des Feuers aufzuheben.
20. Bei Beendigung des Kesselbetriebes hat der Kesselwärter den Dampf tunlichst wegzuarbeiten, das Feuer allmählich zu mäßigen und eingehen zu lassen bzw. vom Kessel abzusperren, den Rauchschieber zu schließen und den Kessel aufzuspeisen.
Kessel abzusperren, den Rauchschieber zu schließen und den Kessel aufzuspeisen.
21. Bei außergewöhnlichen Erscheinungen, Undichtheiten, Beulen, Erglühen von Kesselteilen usw. ist die Einwirkung des Feuers sofort aufzuheben und dem Vorgesetzten unverzüglich Meldung zu erstatten.
22. Das Decken (Bänken) des Feuers nach Beendigung der Arbeitszeit ist nur gestattet, wenn der Kessel unter Aufsicht bleibt. Außerdem darf der Rauchschieber nicht ganz geschlossen und der Rost nicht ganz bedeckt werden.
Außerbetriesetzen des Kessels.
23. Das vollständige Entleeren des Kessels darf erst vorgenommen werden, nachdem das Feuer entfernt und das Mauerwerk genügend abgekühlt ist. Muß die Entleerung unter Dampfdruck erfolgen, so darf dies nur mit höchstens einer Atmosphäre Druck geschehen.
24. Das Einlassen von kaltem Wasser in den eben entleerten, heißen Kessel ist streng untersagt.
25. Bei Frostwetter sind außer Betrieb zu setzende Kessel und deren Rohrleitungen gegen Einfrieren zu schützen.
Reinigung des Kessels.
26. Kesselstein und Schlamm sind aus dem Kessel oft und gründlich zu entfernen. Das Abklopfen des Kesselsteines darf nicht mit zu scharfen Werkzeugen geshehen.
27. Die Züge und die Kesselwandungen sind oft und gründlich von Flugasche und Ruß zu reinigen.
28. Der zu befahrende Kessel muß von den mit ihm verbundenen und im Betrieb befindlichen Kesseln in allen Rohrverbindungen durch genügend starke Blindflanschen oder durch Abnehmen der Zwischenstücken sichtbar abgetrennt werden. Die Feuerungseinrichtungen sind sicher abzusperren.
29. Der Kesselwärter hat sich von der stattgehabten Reinigung des Kessels und der Züge persönlich zu Überzeugen. Dabei sind die Kesselwandungen genau zu besichtigen und ist der Zustand des Kesselmauerwerkes zu untersuchen. Unregelmäßigkeiten sind sofort zur Anzeige zu bringen
Felix Krokert & Co. Halle A/S
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