12. Dorfgeschichten
Auf den Spuren der Volkssagen im Zerbster Land
Der Reiter ohne Kopf bei Grochewitz
"Nun gibt uns auch eine Sage von einem Reiter ohne Kopf bei Grochewitz Kunde. Die Sage soll ihre Entstehung von dieser schaurigen tat her haben.
Auf dem Wege, der von Grochewitz nach Serno geht, wurde vor vielen, vielen Jahrzehnten ein einsamer armer Wanderer von einem gerade des Weges dahersprengenden Reiters in der Dunkelheit erschlagen und vollständig ausgeraubt. Dann entfloh der Mörder; doch mußte er sich irgendwie verraten haben, denn eines Tages stellte man den Totschläger, der auch seine verabscheuungswürdige Tat eingestand.
Damals wurden Straßenräuber unnachsichtig streng bestraft, und so traf auch diesen das Todesurteil, das durch Enthaupten vollstreckt wurde. Wo der Mörder abgeurteilt wurde verrät unsere Sage nicht. Und bis zum heutigen Tag hat der Mörder noch nicht seine Ruhe im Grabe finden können, denn zu jeder Nacht erscheint er im gleichen Kleid wie damals, auf seinem Pferde und reitet, seinen Kopf unter dem Arme, den Weg von Grochewitz nach Serno immer auf und ab. Wenn die Glocke aber ein Uhr geschlagen hat, dann ist er wieder verschwunden."
Der nächtliche Reiter muß auch an der alten Jagdhütte, dem späteren Lehrerlandheim vorbei gekommen sein, denn das Heim lag direkt neben dem Weg nach Serno.Hier verlassen wir die Welt der Sagen und kehren in die Realität des Lebens zurück. Die damaligen Lehrer, vor allem die Dorfschullehrer, mußten "ihr täglich Brot sauer verdienen". So kam es häufiger vor, daß der Lehrer nachmittags auf dem Bauernhof aushalf und als Lohn einen "Beutel voll Essen" bekam.
Der Text des nachfolgenden Liedes schildert eindrucksvoll die damaligen Verhältnisse, aber er beschreibt auch die Genügsamkeit und die Lebenslust der Menschen.
Landheim – Lied.
Als die Lehrer frech geworden, Kauften sie in Coswigs Norden Eine eigene Villa sich, Freuten sich ganz fürchterlich, Daß
das Werk gelungen. Grochewitz in Kiefernheide Wirst noch jeder Lehrer Freude, Wirst bekannt in aller Welt, Weil bei dir mit wenig Geld Sich kann jeder stärken. Ei wie ist die Luft dort reine, Voller Kiefernduft und Feine. Auf den Bergen, in dem Grund Läuten süß mit rotem Mund Kleine Heideglöckchen. Sind zerrüttet deine Nerven, Hier im Heim kannst du sie schärfen. In der wundertät’gen Still Hörst kein Pfeifen, kein Gebrüll, Nur der Kieferrn rauschen Heidelbeeren Kannst du pflücken, Davon tut zwar weh der Rücken, Aber sie sind sehr gesund; Du bekommst `nen blauen Mund Und ein gut Verdauen. Pilze wachsen aller Orten In den feinsten, besten Sorten. Pfifferlinge, Champignon, Butterpilze, Musetten, gibt’s in schwerer Menge. Wenn du kennst erst alle Wege Und auch die geheimen Stege, Machst du manchen guten Fund, Pflücke in dem versteckten Grund Große Brommelbeeren. Honig geben dir die Bienen, Hühner dir mit Eiern dienen, Und der Bauer bringt dir willig Butter, Käse, süße Millich. Zu geringem Preise |
und wie ist die Milch hier fettig! Drum rasch zum Kantor Rettig. In den nächsten Ferien schon Fahr mit Mutter, Tochter, Sohn Ich zum Lehrerheim. Zwar hier ist`s ein wenig enge, Und wir kommen ins Gedränge. Hab`ich daher keinen Platz, Schlafe ich mit meinem Schatz Auf dem großen Boden. Aber was uns doch sehr quälet, Daß zum Kauf das Geld noch fehlet, Daß noch leer ist jede Wand, Ohne Schmuck von Künstler Hand Und noch kein Geschirre. Doch wir wollen nicht verzagen, Auf die Lehrerschaft wirs wagen. Jeder gebe, Mann für Mann, Was er irgend geben kann, Geld und Hausgeräte. Steht dann ohne Schuld und Blöße Einst das Heim in seiner Größe, Dann erfüllet Stolz die Brust Und du sprichst ganz siegsbewußt: „Ich `hab mitgeholfen!" Und kannst du mal nicht recht krauchen Und musst eine Kur gebrauchen, Spricht die Gattin: „Lieber Fritz, Morgen geht’s nach Grochewitz In die eigene Villa!"
Richard
Zabel, Nienburg Der Reinertrag dieses Liedes fließt ungekürzt in die Landheimkasse |
Das Jagdhaus
Ausschnitt von einer alten Grochewitzer Postkarte (1903?)
Die alte Jagdhütte (Bild oben) wurde Später das "Landheim des Anhaltischen Lehrervereins"Der folgenden Text beschreibt mit einem längeren Reim den Ablauf eines Jagd-Wochenendes in Grochewitz. Die Jagd gehöhrt in Grochewitz zur Tradition. Schon in den Beschreibungen der alten Wassermühle (Abs.5) kann man lesen: " Als die Fürsten noch selbst in den wildreichen Revieren von Grochewitz jagten, sind in der Mühle öfter große Jagdgelage gefeiert worden. Der im oberen Stockwerk des Wohnhauses befindlich gewesenen Tanzsaal läßt die Vermutung zu, daß es bei diesen Festen lustig zugegangen ist."
Vor 70 Jahren fanden die "Jagdgelage" nicht mehr in der alten Mühle statt, sondern die Jagdgesellschaft war, wie im folgenden Text beschrieben, bei "Mutter Carius" einquartiert, und das ganze Dorf wurde in das "Gelage" miteinbezogen. Nach dem folgenden Text kann man annehmen, daß es auch bei diesen "Gelagen" lustig zugegangen ist.Erinnerungen an Grochewitzer Jagdtage
Im Oktober 1942Verfasser Jagdberichterstatter Dr. Karl Lambrecht
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Wie bereits bei den anderen Abschnitten, ist auch
bei diesem Abschnitt „12. Dorfgeschichten“ eine Fortsetzung geplant.
Mitarbeiter
und Textbeiträge sind immer willkommen.
Grochewitz, 2005
Manfred Richter
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